Schlagwort: museum

  • Riehen/Basel: Fondation Beyeler: Nordlichter

    Einen Besuch wert.



    Im Detail:

    **Einführung: Ein knapper Einführungstext im Foyer, dazu auch ein Ausstellungsbüchlein (gratis, statt Saalzetteln).

    **Benutzerführung: neun Säle mit logischer Wegeführung, einzelne Werke sind im Ausstellungsbüchlein näher erläutert. Lediglich der letzte Saal ist etwas verwirrend durch die zahlreichen Kleinformate die in Säulen eingefasst präsentiert werden, hier gibt es keine klare Abfolge.

    **Aufstellung/Hängung: white cube mit viel Platz für jedes Werk

    **Umfang: ca 80 Werke aus den Jahren 1880 bis 1930 von 13 verschiedenen Künstlern aus Skandinavien und Kanada

    **Inhalte: skandinavische Landschaftsmalerei des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, kanadische Landschaftsmalerei um 1915-1930.

    Die Ausstellung könnte statt „Nordlichter“ auch „nordischer Wald“ oder „nordische Schneelandschaften“ heißen. Auffällig ist die reduzierte und fast einheitliche Farbpalette der skandinavischen Landschaften, warmes Blau, warmes Grün, rötliches Braun, Schneefarben. Die Szenerie wirkt stets statisch, auch wenn Spuren im Schnee, Lokomotivenqualm oder abgeholzte Stämme die eben aus dem Bildausschnitt getretenen Menschen verraten. Spärliches Licht und dunkle Horizonte kontrastieren Schneemassen auf Hängen und Wäldern. Der Schritt zum Abstrakten wäre nicht weit – genau wie zum Ornament und zum Dekorativen, Tapetenhaften, wie es sich in einem von goldenen Kanteleseiten überspannten Wasserfall zeigt. Sämtliche Farben würde ich sofort bereitwillig für meine Kleidung übernehmen. Es sind vor allem die Farben, die – neben Birken, Kiefern und genereller Unberührtheit – die Skandinavienanmutung dieser Bilder tragen. Das ist aber nicht hygge oder kitschig sonden wirkt ernsthaft, ruhig und klar.

    Die Gemälde der skandinavischen Künstler*innen tourten 1913 durch Nordamerika. Eine Station der Wanderausstellung in Buffalo, New York, an der kanadischen Grenze diente einer Gruppe kanadischer Künstler zur kraftvollen Inspiration. Die Werke der kanadischen Künstler in den letzten beiden Sälen wirken einerseits als logische Fortsetzung, greifen die Farbpalette und die Szenerien, die Motive von Wald und Schnee, die Abwesenheit der Menschen, auf. Sie sind aber durchweg extremer: kleiner und skizzenhafter oder monumentaler und abstrakter, farbkräftiger mit leuchtendem Herbstlaub, vielleicht auch einfach moderner in ihrer Anmutung, wie es die spätere Entstehungszeit mit sich bringt.

    Läge vor dem Museum Schnee, würde es sich lohnen, aus den Sälen immer wieder in die Wintergartengalerie mit Ausblick in die umgebende Landschaft zu treten und das nordische mit dem südlicheren Licht zu vergleichen (sonst lohnt sich der Ausblick auch).

    Südlich des Gebäudes, und von innen wie von außen erlebbar, eine Videoinstallation des zeitgnössischen dänischen Künstlers Jakob Kudsk Steensen, die die Veränderung des borealen Waldes unter verschiedenen Klimabedingungen in grellen Farben simuliert. An dem fast föhnig warmen Januartag saßen nicht wenige Menschen auf der Wiese und betrachteten die Installation. Zu mir sprang ihr Funke nicht über.

    **Hintergründe: Die Ausstellung wurde gemeinsam von der Fondation Beyeler und dem Buffalo AKG Art Museum konzipiert.

    **Architektur: die ausgestellten Werke fügen sich harmonisch in die nicht zu großen Säle der Südhälfte des Museums, gewissermaßen dessen ursprünglicher Altbau, ein. Der Mäntykoski-Wasserfall von Akseli Gallen-Kallela ist wunderschön gegenüber dem kleinen Teich auf der Südseite gehängt.


    **Extras: keine

    **Daten: 26.01.-25.05.2025

    **Fazit: Selten gesehene Werke, ungewöhnliche Zusammenstellung, möchte und sollte man mehrfach ruhig betrachten und auf sich wirken lassen.

  • Berlin: Berlinische Galerie: Rineke Dijkstra. Still – Moving. Portraits 1992-2024

    Einen Besuch wert

    Im Detail:

    **Einführung: Kurzbiographie und Überblick über das Werk auf Wandtafeln im ersten Saal, außerdem ein Saalzettel zum Mitnehmen.

    **Benutzerführung: Leider sind die gedachten Wege nicht ganz klar, ich stolpere etwas hinein und drin herum. Ist aber nicht so schlimm, die Werke funktionieren ohne bestimmte Abfolge. Die einzelnen Serien sind mit Wandtexten knapp erläutert. (Trotzdem trauere ich der in meiner Erinnerung gelungeneren Wegeführung im Louisiana 2017 hinterher.)

    **Aufstellung/Hängung: die großformatigen Abzüge hängen auf weißem Hintergrund, die Serien teils paarweise nebeneinander, teils gegenüber, teils fortlaufend angeordnet in mehreren Kabinetten und entlang der großen Halle. Zwei Videoarbeiten in abgeteilten Separeés.

    **Umfang: Eine Retrospektive mit rund 80 Werken aus verschiedenen Serien, für mich neu sind die Fotos und Videos aus einem Club in Liverpool und einer Disco in Zaandam, die übrigen Serien sind teilweise weitergeführt worden (Almerisa und die Familienportraits), werden aber, wenn ich mich nicht falsch erinnere, nicht vollständig gezeigt. Trotzdem ein schöner Überblick und die großartige Videoinstallation „I can see a woman crying“ ist auch dabei – allerdings mit einem merkwürdig naiven Begleittext, denn die Kinder sind ganz offensichtlich nicht vollkommen unbeeinflusst von allem, sondern rufen innere Bilder und Szenen aus Filmen und Computerspielen ab.

    **Inhalte: Die Fotografin Rineke Dijkstra fotografiert Menschen so, dass diese auch in einer Landschaft oder in einem Interieur isoliert, einsam, auf sich gestellt, wirken. Die Menschen blicken ernst, konzentriert manchmal schüchtern, manchmal selbstbewusst. Der Alltag ist Teil dieser Bilder und trotzdem fern. Eine Ausstellungsbesucherin mutmaßt: „die sind aus Osteuropa, die schauen schon so, die sind nicht aus den USA“. Das klingt übergriffig und stereotyp und irgendwie stimmt es dann aber doch, allerdings sind es Bilder vom Stranf aus Odessa und Jalta aus den 1990ern und seither ist dort zu viel passiert, als das Stereotype noch zutreffen könnten.

    **Hintergründe: Rineke Dijkstra war Ende der 1990er mit einem DAAD-Stipendium in Berlin, dort entstanden einige Portraits der Parks-Serie im Berliner Tiergarten.

    **Architektur: klar, weiß, etwas fabrikhallig.

    **Extras:

    Podcast und Website zur Ausstellung

    **Daten: 8.11.2024 – 10.2.2025

    **Fazit: Eine lohnende Ausstellung, zum Wiedersehen oder Kennenlernen.

  • Riehen/Basel: Fondation Beyeler: Matisse. Einladung zur Reise

    Einen Besuch wert

    Im Detail:

    **Einführung: knapper Einführungstext im ersten Saal, Baudelaire-Gedicht, das den Rahmen für die Ausstellung (und deren Titel) bildet, von Matisse mehrfach in Bildtiteln zitiert. Leider weicht die Übersetzung bzw. Nachdichtung des Gedichts stark vom französischen Original ab und verschiebt damit teilweise (vermutlich ungewollt) inhaltliche Nuancen.

    **Benutzerführung: wie gewohnt, sehr gut gelungen. Die Säle sind nummeriert, die Abfolge klar bezeichnet, statt Saalzetteln liefert eine gedruckte kostenlos erhältliche Broschüre Erläuterungen zu einzelnen Werken (ein bis zwei pro Saal), sowie einen Grundriss mit der Abfolge der Säle. Kleine Säle handeln ein, die größeren zwei Themenblöcke ab, die mit einführenden Wandtexten eingeleitet sind. Die Abfolge ist im Wesentlichen chronologisch, die Reise eine Lebensreise.

    **Aufstellung/Hängung: sparsam auf weißem Grund. Die kleineren Bronzen stehen offen auf kleinen Podesten. Dabei gelingt nicht immer die Beschilderung, beispielsweise muss man die Jeannettes schon eine Weile betrachten, um zu erkennen, welches welche der fünf Jeannettes ist. Der abgedunkelte große Saal, in dem die Scherenschnitte gezeigt werden, ist mit Zwischenwänden clever abgeteilt von der übrigen Ausstellung. Auf diesen Trennwänden zeigen wandfüllende Photographien des Herstellungsprozess der Scherenschnitte.

    **Umfang: umfassend, vom Frühwerk um 1900 bis zu den späten Scherenschnitten aus den 1950ern, über 70 Werke, internationale Leihgaben von Institutionen und privat, darunter natürlich auch die diversen eigenen Stücke aus der Sammlung Beyeler.

    **Inhalte: Die Ausstellung zeichnet die Entwicklung der Kunst von Matisse nach und verschweigt dabei auch die Hin- und Abwendung zu und von den verschiedenen Stilen der Zeigenossen nicht. Die Farbe wird prägend als Träger von Emotion, löst sich mit dem violetten Uferweg und dann immer weiter vom Gegenstand. Dekoratives von den Motiven läuft flächig bis in den Bildvordergrund hinein. Immer wieder dasselbe Geländer, dieselbe Obstschale, dieselben Mimosen, dieselbe Frau, irgendwann nur noch dieselbe ausgeschnittene und nur noch leicht variierte Form. Durch die üppigen Leihgaben werden Arbeitsprozess und Entwicklung deutlich.

    Im Hintergrund bleibt leider Lydia Delectorskaya, für 22 Jahre Matisse‘ Mitarbeiterin, dabei nicht nur Modell sondern auch an der Leinwand im künstlerischen Prozess mitwirkend, Managerin, später Gefährtin. Für den Kurator dieser Ausstellung bleibt es hier (mit Matisse?) beim Blick auf das Objekt, als handelnde Person wird sie nicht greifbar, ihr Einfluss auf den künsterlischen Prozess, gerade der späten Jahre kein Thema. Schade.

    Genausowenig wird die merkwürdige Abwesenheit von Männern in Matisse’s künstlerischem Werk thematisiert. Zufall? Keine lukrativen Portraitaufträge? Keine Künstlerfreunde? Kein Selbstbildnis? Die üppige und interessante Ausstellung ist mit sich selbst zufrieden.

    **Hintergründe: Matisse bildet einen von mehreren Schwerpunkten der Sammlung Beyeler.

    **Architektur: klar, tageslichthell, weiß, geradlinig, mit Durchblicken in die Landschaft.

    **Extras:

    Ein Multimediaraum zeigt den Entstehungsprozess einiger Werke, die Matisse selbst photograpisch festhielt (oder festhalten ließ), dabei wird die Suche nach der abstrakten Form greifbar, aber auch die handwerkliche Seite der Malerei wie der Scherenschnitte.

    Zur Ausstellung erscheint der Podcast „This is Basel. Kunst und Architektur“ Folge 8. Matisse – Einladung zur Reise. Mit Selma Alihodžić und Sophie Mercedes Lardon, zu Gast ist der Ausstellungskurator Dr. Raphaël Bouvier.

    https://basel.podigee.io/29-selma-sophie

    **Daten: 22. September 2024 bis 26. Januar 2025**Website:

    https://www.fondationbeyeler.ch/ausstellungen/henri-matisse

    **Fazit:

    Eine sehr schön zusammengestellte, lohnende Ausstellung mit einem klaren Fokus und Narrativ, auch wenn am Ende Fragen offen bleiben.