Einen Besuch wert
Im Detail:
**Einführung: knapper Einführungstext im ersten Saal, Baudelaire-Gedicht, das den Rahmen für die Ausstellung (und deren Titel) bildet, von Matisse mehrfach in Bildtiteln zitiert. Leider weicht die Übersetzung bzw. Nachdichtung des Gedichts stark vom französischen Original ab und verschiebt damit teilweise (vermutlich ungewollt) inhaltliche Nuancen.
**Benutzerführung: wie gewohnt, sehr gut gelungen. Die Säle sind nummeriert, die Abfolge klar bezeichnet, statt Saalzetteln liefert eine gedruckte kostenlos erhältliche Broschüre Erläuterungen zu einzelnen Werken (ein bis zwei pro Saal), sowie einen Grundriss mit der Abfolge der Säle. Kleine Säle handeln ein, die größeren zwei Themenblöcke ab, die mit einführenden Wandtexten eingeleitet sind. Die Abfolge ist im Wesentlichen chronologisch, die Reise eine Lebensreise.
**Aufstellung/Hängung: sparsam auf weißem Grund. Die kleineren Bronzen stehen offen auf kleinen Podesten. Dabei gelingt nicht immer die Beschilderung, beispielsweise muss man die Jeannettes schon eine Weile betrachten, um zu erkennen, welches welche der fünf Jeannettes ist. Der abgedunkelte große Saal, in dem die Scherenschnitte gezeigt werden, ist mit Zwischenwänden clever abgeteilt von der übrigen Ausstellung. Auf diesen Trennwänden zeigen wandfüllende Photographien des Herstellungsprozess der Scherenschnitte.
**Umfang: umfassend, vom Frühwerk um 1900 bis zu den späten Scherenschnitten aus den 1950ern, über 70 Werke, internationale Leihgaben von Institutionen und privat, darunter natürlich auch die diversen eigenen Stücke aus der Sammlung Beyeler.
**Inhalte: Die Ausstellung zeichnet die Entwicklung der Kunst von Matisse nach und verschweigt dabei auch die Hin- und Abwendung zu und von den verschiedenen Stilen der Zeigenossen nicht. Die Farbe wird prägend als Träger von Emotion, löst sich mit dem violetten Uferweg und dann immer weiter vom Gegenstand. Dekoratives von den Motiven läuft flächig bis in den Bildvordergrund hinein. Immer wieder dasselbe Geländer, dieselbe Obstschale, dieselben Mimosen, dieselbe Frau, irgendwann nur noch dieselbe ausgeschnittene und nur noch leicht variierte Form. Durch die üppigen Leihgaben werden Arbeitsprozess und Entwicklung deutlich.
Im Hintergrund bleibt leider Lydia Delectorskaya, für 22 Jahre Matisse‘ Mitarbeiterin, dabei nicht nur Modell sondern auch an der Leinwand im künstlerischen Prozess mitwirkend, Managerin, später Gefährtin. Für den Kurator dieser Ausstellung bleibt es hier (mit Matisse?) beim Blick auf das Objekt, als handelnde Person wird sie nicht greifbar, ihr Einfluss auf den künsterlischen Prozess, gerade der späten Jahre kein Thema. Schade.
Genausowenig wird die merkwürdige Abwesenheit von Männern in Matisse’s künstlerischem Werk thematisiert. Zufall? Keine lukrativen Portraitaufträge? Keine Künstlerfreunde? Kein Selbstbildnis? Die üppige und interessante Ausstellung ist mit sich selbst zufrieden.
**Hintergründe: Matisse bildet einen von mehreren Schwerpunkten der Sammlung Beyeler.
**Architektur: klar, tageslichthell, weiß, geradlinig, mit Durchblicken in die Landschaft.
**Extras:
Ein Multimediaraum zeigt den Entstehungsprozess einiger Werke, die Matisse selbst photograpisch festhielt (oder festhalten ließ), dabei wird die Suche nach der abstrakten Form greifbar, aber auch die handwerkliche Seite der Malerei wie der Scherenschnitte.
Zur Ausstellung erscheint der Podcast „This is Basel. Kunst und Architektur“ Folge 8. Matisse – Einladung zur Reise. Mit Selma Alihodžić und Sophie Mercedes Lardon, zu Gast ist der Ausstellungskurator Dr. Raphaël Bouvier.
https://basel.podigee.io/29-selma-sophie
**Daten: 22. September 2024 bis 26. Januar 2025**Website:
https://www.fondationbeyeler.ch/ausstellungen/henri-matisse
**Fazit:
Eine sehr schön zusammengestellte, lohnende Ausstellung mit einem klaren Fokus und Narrativ, auch wenn am Ende Fragen offen bleiben.
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