Mein erster Besuch des Boulez-Saals. Bei der Eröffnung war ich neugierig, hatte dann auch bald eine Karte für ein Event einer Berliner in Kulturdingen relevanten Kanzlei – und dann spontan keine Lust hinzugehen wegen beruflicher Verbandelungen. Und anschließend den Saal aus der inneren Liste von Orten, die ich im Blick habe, gelöscht.

Das war ein Fehler und gut, dass ich nach fünf Jahren Abklingbecken nun problemlos dorthin gehen kann. Ein Probramm mit italienischem Frühbarock von Caccini, Strozzi, Rossi und anderen. Die Karten sind ein Weihnachtsgeschenk von H.
Der Saal hat eine herausragende Akustik und wie im Amphitheater schaut man von oben auf Roberta Mameli, Margret Koell und Michele Pasotti in der Mitte des Ovals. Nach der Pause ist die Ausrichtung der Musiker*innen um 180 Grad gedreht – so sehe ich die Theorbe auch mal von vorne – für den Klang hätte es das nicht einmal gebraucht.
Die Musik ist ein Trip down memory lane. Über Caccinis Orfeo habe ich mal ein Seminar besucht und über Peris Euridice eine Seminararbeit geschrieben – damals galt Caccini noch als Erfinder der Operngattung, heute wird er, wie ich dem Programmheft entnehme, von der Musikwissenschaft eher als früher Operninfluencer gesehen. Correlis Sonate Opus 5 Nr. 8 habe ich bei der Beerdigung meiner Großmutter selbst gespielt und seither oft angehört.
Das nicht als feste Formation zusammen musizierende Trio hat sich Musik ausgesucht, die das Anliegen des Barock, Gefühle zum Ausdruck zu bringen und damit das Regelkorsett des Kontrapunktes hinter sich zu lassen, zum Glänzen bringt. Kurz davor las ich eine Einschätzung, Text-KI sei tendenziell linkslastig, Bild-KI dagegen rechtslastig – das liege daran, dass Texte eher regel- und faktenorientiert und Bilder eher emotional aufgeladen seien. Vielleicht ist das falsch – aber Renaissance als eher Text und Barock als eher Bild würde ich sofort auch unterschreiben. Die Tür zur Romantik ist jedenfalls schon einen Spalt weit aufgestoßen.
Als die Zugabe angespielt wird, klingt aus dem wirklich erfreulich nerdigen Publikum nach den ersten Takten ein kollektiver Seufzer. Auch im Fortgehen klingt die Arie noch durch die französische Straße. Hach!
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